Wenn man kräftige Aromen und Duftnoten liebt ist einem die Familie der Lippenblütler gut bekannt - zumindest klingen diese Namen sehr vertraut: Rosmarin, Thymian, Lavendel, Minze, Basilikum, Bohnenkraut, Ysop, Zitronenmelisse, Gundermann und Oregano. Aufgrund der großen Menge und Vielfalt ätherischer Öle eignen sich diese Kräuter hervorragend zum Würzen von Speisen. Und sie sind in der Heilkunde beliebt und geschätzt.
Ein Familienmitglied hatte ich nun nicht erwähnt, aber das hast Du als aufmerksamer Leser sicherlich gleich gemerkt - den Salbei!
Der Salbei ist fast auf allen Kontinenten vertreten und mit 850 bis 900 verschiedenen Arten eine der artenreichsten Gattungen überhaupt. Bereits in der Antike wurden diverse Salbeiarten in der Heilkunde verwendet: auf Kreta findet sich z. B. ein 3500 Jahre altes Fresko im Palast von Knossos. Der Echte Salbei, welcher vor allem im mitteleuropäischen Raum in heilkundlichen Schriften erwähnt wird, stammt aus Italien und ist mindestens seit der römischen Zeit, also seit immerhin 2800 Jahren, ein Klassiker in der Kräuterszene.
Nun soll diese außergewöhnliche Heilpflanze auch in der Neuzeit eine entsprechende Würdigung erfahren: der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde hat den Echten Salbei zur Arzneipflanze des Jahres 2023 gewählt, um auf sein großes Potential für weitere Forschungen hinzuweisen.
Dass der Echte Salbei als wirksame Heilpflanze bereits einen guten Ruf hat zeigt sich in zahlreichen Publikationen: Entzündungen im Mund- und Rachenbereich, Linderung bei Sodbrennen und Blähungen, zur Verminderung der Schweißbildung sowie bei Hautentzündungen werden hier u. a. genannt.
Bereits mit seinem lateinischen Namen hat man ihm die Verantwortung als großes Heilkraut auferlegt: ‚salvia‘ wird auf das Adjektiv ‚salvus‘ zurückgeführt, welches für heil, unverletzt, wohlbehalten, gerettet steht. Auch Disokurides benutzte bereits um 60 n Chr. diese Bezeichnung in einem der wohl berühmtesten Bücher der europäischen Heilkunde, der Materia medica. In diesem Buch sind u. a. rund 1000 Arzneimittel aufgeführt sowie 600 Kräuter ausführlich beschrieben.
Aber erst im frühen Mittelalter, rund 800 n. Chr., setzte der eigentliche Siegeszug des Echten Salbeis ein, durch die immer wichtiger werdende Rolle der Klostermedizin.
Auch Hildegard von Bingen widmete dem Salbei im 12. Jhdt. in ihrer Naturkunde ein umfangreiches Kapitel. Sie beschreibt acht verschiedene Anwendungsgebiete, von Mundgeruch über Appetitlosigkeit bis hin zu Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Blutungen. Man kann davon ausgehen, dass neben dem in Klostergärten kultivierten Echten Salbei auch der wilde Wiesensalbei (Salvia pratensis) gesammelt wurde. In dieser Zeit wurden beide Salbeiarten parallel verwendet.
Im Spätmittelalter wurde der Salbei dann zum ‚Allheal‘, ein Allheilmittel, gekürt.
In der heutigen Zeit liegen bereits einige Studien über den Salbei vor, z. B. gelten die Salbeiblätter als besonders wirksam, da sie viel ätherische Öle sowie Gerbstoffe enthalten.
Außer einer bakterien-, pilz- und virenhemmenden Eigenschaft konnten in Versuchen auch eine entzündungshemmende, krampflösende sowie Hustenreiz lindernde Wirkung nachgewiesen werden. Neuere klinische Studien bestätigen die historische Anwendung von Salbeiblättern gegen Schwitzen, u. a. im Zusammenhang mit menopausalen Beschwerden.
Auch eine den Stoffwechsel fördernde Wirkung bei Menschen mit zu hohen Fett- bzw. Cholesterinwerten sowie bei Diabetes wurde festgestellt.
Man sieht also, dass er seinen Namen ‚Allheal‘ zu recht trägt. Er ist wahrhaftig ein Universalheilmittel, jedoch ist er auch eine ausgesprochene Sonnenpflanze. Sein Ölgehalt steigt an Sonnentagen um ein Vielfaches. Man sollte den Salbei deshalb am besten an solchen Tagen ernten. Ich empfinde die Blätter des Salbei als am Wirkungsstärksten und pflücke sie, bevor die Pflanze Blüten treibt.
Salbei lässt sich sehr vielfältig einsetzen: Als Tinktur einige Tropfen in ein Glas Wasser geben und bei Halsschmerzen oder Husten gurgeln - oder auch zur Unterstützung der Stimme für Sänger und Redner ist die Tinktur ein probates Mittel. Als Tee äußerlich angewendet hilft der Salbei bei Hauterkrankungen, entweder als Badezusatz oder als Auflage. Ein Tee innerlich eingenommen stärkt Nieren und Blase. Ein schwacher Salbeitee wirkt schweißtreibend, ein starker Salbeitee hemmt die Schweißbildung.
Auch eine Teekur von 4 bis 6 Wochen hat sich als hilfreich zur Vorbeugung gegen ansteckende Krankheiten erwiesen. Und natürlich ist der Salbei außer seiner Heilwirkung durch sein wunderbares Aroma eine begehrte Gewürzpflanze: ob roh oder gekocht, er gibt jedem Essen eine besondere Note!
„Wie kann ein Mensch sterben, in dessen Garten Salbei wächst?“. So lautet der Spruch des persischen Arztes und Naturwissenschaftler Avicenna vor rund 1000 Jahren.
Auch wenn wir wissen, dass unser Leben endlich ist, so können wir immer wieder auf die heilende und kraftspendende Pflanzenvielfalt von Mutter Natur zurückgreifen. Danke!