Manchmal wird einem die Entscheidung abgenommen: Ich war noch am Überlegen, über welche Pflanze ich dieses Mal etwas erzählen möchte. Da entdeckte ich vor kurzem auf einer Erkundungstour das Wald-Bingelkraut. Mich faszinieren schon seit vielen Jahren besonders die Kräuter, welche in der Heilkunde nahezu in Vergessenheit geraten sind - oft aufgrund ihrer Giftigkeit und der Unkenntnis, sie richtig anzuwenden.
Das Bingelkraut ist an sich in seiner Erscheinung schon bemerkenswert: mit seinen glänzend, hellgrünen Blättern bedeckt es großflächig den Waldboden. Es liebt vor allem Lehm- und Kalkböden - kein Wunder also, dass es sich im Naturschutzgebiet Hacksberg, nahe Weil der Stadt, wohl fühlt! Der Wildhanf, wie das Bingelkraut auch genannt wird, ist außerdem getrennt geschlechtlich, es gibt also weibliche und männliche Pflanzen, was in der Pflanzenwelt nicht allzu häufig vorkommt.
Ich kenne das Bingelkraut in seiner Anwendung noch nicht, es ist also für mich ein ›neues, unbekanntes Kraut‹. Ich habe es deshalb zuerst betrachtet, seine äußere Erscheinungsform auf mich wirken lassen. Dann rieb ich mit den Fingern an seinen Blättern: Der Geruch erinnerte mich an Holunderblätter. Dies lies mich wachsam werden, denn die Blätter des Holunders sind (leicht) giftig. Ich aß ein kleines Stückchen des Blattes - dies bestätigte meinen ersten Eindruck: diese Pflanze besser nicht frisch verwenden!
Zuhause las ich dann über die Heilwirkung und Verwendung des Bingelkrauts nach: es soll tatsächlich nicht in frischem Zustand eingesetzt werden. Die Giftigkeit ist aber - wie auch beim Holunder - nicht so hoch einzustufen, dass das Probieren eines Blattes kritisch sein könnte. Allerdings sieht das bei Tieren oft anders aus. Diese reagieren auf schwach giftige Pflanzen oft viel sensibler als wir Menschen! Natürlich spielt auch der vegetative Zustand der Pflanzen eine Rolle. So hat das Bingelkraut den größten Anteil an giftigen Stoffen, wenn es Früchte trägt. Wissenschaftlich anerkannt und genutzt wird das Bingelkraut, getrocknet, als Abführmittel. Man soll es auf keinen Fall in der Schwangerschaft verwenden. (Ich habe übrigens gelesen, dass man früher die weibliche Pflanze des Bingelkrauts den Frauen ins Bett legte, um die Kinderwahl zu beeinflussen: die weibliche Pflanze, wenn es ein Mädchen werden sollte, die männliche für einen Jungen.😊)
Spannend ist, dass der botanische Name Mercurialis direkt von Gott Merkur stammen soll, denn er habe dieses Heilkraut persönlich entdeckt. Hippokrates schätzte das Bingelkraut als heilkräftiges Mittel in der Frauenheilkunde, u. a. bei Gebärmutterleiden. Auch die Germanen waren dem Bingelkraut zugetan und verwendeten es als Wundheilmittel. Bewiesen ist, dass das Bingelkraut aufgrund seiner Saponine antibakteriell und antiviral wirkt, also durchaus ein probates Mittel bei Hautproblemen und -erkrankungen sein kann. Die Saponine deuten übrigens auch auf eine Einsatzmöglichkeit bei Husten hin. Firma Wala stellt aus dem Bingelkraut homöopathische Augentropfen her, welche bei Augentrockenheit eingesetzt werden.
Was für eine glückliche Fügung, dass ich dieses Kraut für mich neu entdecken durfte! Die Sammelzeit für das Bingelkraut ist April! Ich werde es sammeln und trocknen, denn es wächst aufgrund der Nähe zum Naturschutzgebiet auch in unserem Garten. So bin ich für die kommenden Wochen bestens gerüstet und kann bei Bedarf auf die Heilkraft dieser Wildpflanze zurückgreifen: Danke, Mutter Natur!