Unbeschwertheit und Freude - die Mehlbeere

Immer wieder begegnete mir der Name Mehlbeere. Ihre Schwestern, die Eberesche und die Elsbeere, sind mir von Spaziergängen im Wald vertraut. Die Mehlbeere jedoch suchte ich bisher vergeblich. Welch’ schöner Impuls, diesen Baum nun als ‚Baum des Jahres 2024‘ näher zu betrachten!

 


Zu Beginn möchte ich erst auf die Taxonomie, die Zuordnung der Mehlbeere innerhalb des Pflanzenreichs, eingehen. Die Echte Mehlbeere gehört zur Familie der Rosengewächse, welche die meisten unserer heimischen Obstsorten mit einschließt. Innerhalb dieser Familie gibt es zwei große Familienzweige: Der eine Zweig ist als Steinobstgewächs bekannt. Dieser beinhaltet z. B. die Kirsche, die Mirabelle und den Pfirsich. Den anderen Familienzweig nennt man Kernobstgewächs. Dieser Familienzweig wiederum unterteilt sich in verschiedene Gattungen. Hier kennen wir u. a. Äpfel (Malus), Birnen (Pyrus), Weißdorne (Crataegus) und Mehlbeeren (Sorbus).

 


Innerhalb der Gattung der Mehlbeeren findet eine weitere Unterteilung statt – hier seien die Echte Mehlbeere (Sorbus aria), die Eberesche (Sorbus aucuparia) und die Elsbeere (Sorbus torminalis) genannt.
Diese drei sind also direkt miteinander verwandt, was man an der Form der Beeren und auch am Geschmack erkennen kann. 

Über den Namen der Mehlbeere ist man sich nicht ganz einig: die einen meinen, dass sich dieser auf die Früchte bezieht, die wenig saftig sondern eher mehlig sind. Andere behaupten, dass man früher die gemahlenen Früchte Mehl beigemischt hat, um dieses zu strecken.

 


Die Echte Mehlbeere wird nicht ganz so groß wie ihre beiden Schwestern, die eine Größe zwischen 25 bis 30 Metern erreichen können. Die Echte Mehlbeere begnügt sich mit maximal 20 Metern, wobei sie auch gerne die Form eines Strauches annimmt. Die weißen Blüten der Echten Mehlbeere sind von Mai bis Juni zu sehen. Ab August reifen die gelb bis scharlachroten Früchte heran, die wie kleine Äpfel aussehen.

 


Zuhause ist die Echte Mehlbeere vor allem in West- und Mitteleuropa. Sie bevorzugt sonnige Eichen- und Buchenwälder und kommt mit trockenen Böden gut zurecht. Auch in bergigen Regionen bis 1600 Meter ist sie zu finden. Hier ist sie eine der häufigsten Baumarten überhaupt, die mit den Anforderungen des Bergklimas gut zurecht kommen.


Im Vergleich zur Vogel- und Elsbeere werden ihre eher fad schmeckenden Früchte als nicht besonders hochwertig angesehen. Die Früchte werden deshalb meist nur anderen Früchten, z. B. in Marmeladen und Likören, beigemengt und nicht in reiner Form verarbeitet. 

 

In der Volksmedizin findet man vereinzelt Hinweise auf die Verwendung der Früchte bei Erkältungskrankheiten und Verdauungsproblemen. Aber man hat die Früchte der Echten Mehlbeere wohl eher als Futtermittel für Schweine verwendet.

 


Warum also nun die Wahl der Mehlbeere zum Baum des Jahres 2024?


Den Grund hierfür habe ich bereits aufgeführt: die Echte Mehlbeere verträgt Trockenheit. Nachdem die letzten Jahre zunehmend regenarme Perioden zu verzeichnen sind fällt das Augenmerk nun vermehrt auf trockenresistente Bäume. Nicht nur im Wald können diese Bäume eine gute Ergänzung zu anderen Baumarten liefern, auch in Städten ist es wichtig, diese Bäume zu integrieren, da sie für das städtische Mikroklima (Wasserverdunstung und Schattenwurf) ebenfalls essentiell sind.

 


Auch das helle Holz der Echten Mehlbeere hat seine Anhänger: es ist hart und zäh und sehr witterungsbeständig. Da dieser Baum jedoch nicht so groß und breit wächst wie z. B. eine Rotbuche nutzt man das Holz nicht zur Möbelherstellung sondern u. a. für Werkzeugstiele.
Einen ganz großen und wichtigen Platz nimmt die Echte Mehlbeere jedoch bei den Vögeln ein: viele Vogelarten sind gerade in den vegetationsschwachen Zeiten auf Früchte angewiesen, die die Mehlbeere in großen Mengen zur Verfügung stellt.

 


In der Mythologie kann man immerhin einige Hinweise auf die Mehlbeere finden: sie war bei den Germanen ein Baum, der dem Gott Donar zugesprochen wurde. Als Lieblingstier des Donnergottes wird die Ziege genannt – und Ziegen lieben es im Allgemeinen, an den Blättern der Mehlbeere zu knabbern. So wurde die Verbindung zwischen Donar und der Mehlbeere als besonders wichtig gedeutet. 
Bei den Kelten soll die Mehlbeere für die Fruchtbarkeit stehen – was sie ja auch gerne durch ihre zahlreichen Früchte unter Beweis stellt.
In Schweden wurden Nutztiere mit Blütendolden und Zweigen geschmückt, um sie gesund zu halten und ihnen Kraft zu schenken – und um böse Geister fernzuhalten.

 

Gerade unbekanntere Bäume bieten eine wunderbare Gelegenheit zum Reinspüren. Wenn ich mich mit der Mehlbeere verbinde sehe ich Licht, Leichtigkeit und Anmut. Sie gibt mir ein Gefühl von Unbeschwertheit und Freude. 

Eine wunderbare Begleiterin für dieses neue Jahr 2024! 

Foto von Wolfgang Eckert, Pixabay