Unzählige, flinke und bewegliche Blätter, so präsentiert sich die Pappel - je nach Art in silbernen, grauen oder schwarzen Borkenkleid.
Wie ich darauf komme, dass sie ein Baum des Volkes ist? Ihr botanischer Name Populus stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Volk. Wenn man unter einer Pappel steht, wird einem schnell bewusst wie dies gemeint ist: ihre Blätter bewegen sich beim leisesten Windhauch und ein leises Flüstern ertönt, ein Meer von unzähligen Stimmen, die sich zu einem gemeinsamen Reigen vereinen. Unter einer Pappel ist man niemals alleine, es gibt immer etwas zu lauschen oder zu beobachten. Denn die langstieligen Blätter lassen mit immer neuen Bewegungen - ja beinahe Tanzformationen - keine Langeweile aufkommen.
Bei uns im Merklinger Ried zwischen Calw und Stuttgart sind gleich drei Vertreter der Pappelfamilie zuhause: die Schwarzpappel, die Grau- und die Zitterpappel. Alle drei lieben einen feuchten Boden, wobei sich die Graupappel gerne besonders nahe am Wasser aufhält. Dort weilt sie zwischen Weide und Erle direkt an der Uferböschung und schaut den Enten zu.
Die Pappel übt auf mich schon lange eine große Faszination aus und ich begann vor einigen Jahren, mich intensiver mit ihr zu beschäftigen.
Was mir als erstes auffiel war ihre Familienbande zur Weide. Und interessanterweise wird die Pappel auch in ähnlicher Weise in der Heilkunde auf körperlichen Ebene eingesetzt wie ihre Verwandte. Sie hilft bei Schmerzen, wirkt entzündungshemmend und schleimlösend.
Bekannt ist die Pappel vor allem durch die Salbe aus ihren Blattknospen. Diese Salbe ist eine der ältesten bekannten Rezepturen überhaupt und wird heute noch bei Haut- und Gelenkproblemen mit Erfolg eingesetzt. Die Knospen können auch als Tee verwendet werden, entweder zur Einnahme oder als Aufguss für ein Vollbad.
Was mich allerdings im Moment besonders fesselt ist die unterschiedliche Ausstrahlung von Zitter-, Grau- und Schwarzpappel.
Die Zitterpappel z. B. fühlt sich für mich sehr leicht, beschwingt und unbeschwert an. Sie lässt mich die Sorgen des Alltags vergessen. Als würde sie sagen: ›Zitter' nicht innerlich, schüttel' die Sorgen von dir ab, so wie ich die Blätter schüttel' - mach' dich frei von Gedanken, die dich schwer und traurig machen!‹ Da bekommt die Redewendung ›zittern wie Espenlaub‹ eine ganz andere Bedeutung. Die Espe ist einer der volkstümlichen Namen für die Zitterpappel.
Die Grau-Pappel hingegen hat eine etwas würdevollere Erscheinung als die Zitterpappel. Sie gibt mir Wärme und Zuversicht, stärkt mich körperlich und lässt mich Dinge zu Ende bringen. Sie hat etwas Vertrauensvolles, und trotz ihrer Präferenz zum Wasser kann ich mich in ihrer Nähe gut erden.
Anders bei der Schwarz-Pappel: sie ist mit ihren bis zu 30 Metern Wuchshöhe und ihrem geraden, massiven Stamm eine wahrhaft mächtige Erscheinung und scheint nach den Sternen zu greifen. Außerdem wirkt sie mit ihrer dunklen, stark gefurchten Rinde, fast unnahbar. Da ist eine Urkraft, der wir mit Respekt begegnen dürfen. Auch wir haben diese Kraft in uns. Einmal entdeckt und erlebt ist sie eine nahezu unerschöpfliche Quelle. Vielleicht ist es auch das, was mich so beeindruckt und gleichzeitig ehrfürchtig werden lässt.
Die Welt mit und nahe den Bäumen zu erleben ist immer wieder ein großes Abenteuer, die unendliche und faszinierende Geschichte des Lebens.