Die Rotbuche – und warum man sie suchen sollte

 

Vor Eichen sollst du weichen,

die Weiden sollst du meiden.

Zu den Fichten flieh mitnichten,

Linden sollst du finden,

doch die Buchen musst du suchen!

 

Dass diese alte Volksweisheit bei Gewitter nicht unbedingt zuträglich ist wissen wir heute. Denn ein hoher Baum, egal welcher Art, bietet ein gutes Ziel für einen niedergehenden Blitz. Alleinstehende Bäume sind besonders gefährdet.

Doch der letzte Satz ›die Buchen musst du suchen‹ hat für mich mittlerweile in einem ganz anderen Zusammenhang an Bedeutung gewonnen. Immer, wenn ich in eine kreative Talsohle gelange, gehe in den Wald und suche mir eine Buche. Denn ich habe festgestellt, dass Buchen nicht nur Körper und Geist kühlen sondern auch Ruhe und Konzentration fördern.

 

Die Rotbuche ist uns Menschen auf dem europäischen Kontinent seit jeher vertraut. Ihre glatte, auch im Alter jungfräulich bleibende, Rinde lädt zum Malen und Schreiben ein. Schau mal, wenn Du durch den Wald gehst, in welche Bäume Grüße und Liebesbekenntnisse eingeritzt sind. Es sind so gut wie immer Rotbuchen!

Die Verbundenheit der Menschen zur Rotbuche ist tatsächlich sehr innig und vielfältig. Ihr Holz hat einen hohen Brennwert, weshalb sich auch schon unsere Vorfahren an einem guten und lang anhaltendem Feuer mit starker Glut erfreuen konnten. Buchenasche mit lauwarmem Wasser übergossen, über Nacht stehen gelassen, wurde am folgenden Tag abgeseiht. Diese Lauge verwendete man zur Reinigung von Böden sowie von Holzgefäßen, die zur Aufbewahrung von Speisen dienten. Die keimtötende Wirkung der Buchenasche war auch bei der Zahnreinigung gefragt, denn früher diente sie als Grundlage für Zahncremes.

 

Es wird immer wieder berichtet, dass man früher Buchenlaub gesammelt hat, um Säcke zum Schlafen zu befüllen, da dieses eine beruhigende Wirkung zeigte. Bauern waren froh um das Buchenlaub, um ihren Pferden, Kühen, Schafen und Ziegen eine angenehme Einstreu in den Ställen zu sichern - dass man wie selbstverständlich Stroh als Einstreu verwendete war vor 150 Jahren noch eher die Ausnahme. Im Sommer frische, im Winter getrocknete, Buchenblätter wurde dem Vieh gefüttert. In Notzeiten stellten die Menschen aus Bucheckern Mehl oder Öl her. Der botanische Name ›fagus‹ leitet sich vom griechischen Wort für Essen ab. Der Beiname ’sylvatica‘ bedeutet Wald. Die Buche ist also ›das Essen aus dem Wald‹. Wie treffend dieser Name für die Menschen gerade früher war kann man erahnen!

 

Sowohl das Wort ›Buch‹ als auch ›Buche‹ stammen vom gotischen Wort ›boka‹ ab, was soviel wie Buchstabe bedeutet. Die keltischen Weisen ritzten ihre heiligen Zeichen, die Runen, in Buchenholzstäbchen ein. Als Orakel wurden sie geworfen und gedeutet. So soll das Schreiben und Lesen unter die Germanen gekommen sein. Johannes Gutenberg, der Erfinder des Buchdrucks, soll die ersten Buchstaben aus dem harten, aber leicht zu bearbeitenden Holz der Rotbuche herausgeschnitten haben. Inwieweit dies alles der Wahrheit entspricht wird uns die Geschichte wohl nicht offenbaren. Sicher ist jedoch, dass die Wörter Buche und Buch nicht zufällig so nahe beieinander liegen.

 

Es freut mich ganz besonders, dass auch heute noch die Wichtigkeit und Bedeutung der heimischen Rotbuche gesehen wird: so erhielt sie dieses Jahr ein besondere Auszeichnung - sie wurde zum Baum des Jahres 2022 gewählt! Herzlichen Glückwunsch, liebe Buche!

Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch bei Dir!